Steinkreise in Schottland
Nur in wenigen Ländern stehen so viele und so große Steinkreise wie in Schottland. Doch was bedeuten sie? Besteht ein Zusammenhang zwischen Steinkreisen und der Equinox (Tagundnachtgleiche)?
An einem sonnigen Samstagmorgen begebe ich mich auf den Weg in den Süden Englands, um ein berühmtes Monument zu besuchen, über welches ich mir schon lange den Kopf zerbreche. Wieso genau an diesem Ort? Welche Bedeutung hatte es wohl für die Menschen in der Vergangenheit? Ich möchte dem Geheimnis vor Ort auf die Spur kommen. Geduldig stelle ich mich in die endlos wirkende Schlange von Menschen, die aus aller Welt für dieses mysteriöse Monument angereist sind. Endlich bin ich an der Reihe und kann mich der faszinierenden Anlage nähern: Mächtige Monolithen, die in einem Kreis angeordnet sind. Oben sind diese durch quer liegende, ebenso tonnenschwere Steinblöcke verbunden. Wie viele andere Besucher um mich herum, stehe ich mit offenem Mund vor dem wohl bekanntesten und meist fotografiertesten Steinkreis der Welt: Stonehenge.
Um meine Fragen zu klären muss ich etwa 4000 – 5000 Jahre in die Vergangenheit reisen. Stonehenge ist nur einer von vielen end-neolithischen Megalithanlagen. Von Skandinavien über Irland bis hin zu Österreich, Deutschland und Frankreich findet man noch Anzeichen von Steinkreisen. Europaweit wurden in der Jungsteinzeit die verschiedensten Megalithbauten errichtet, doch nur in wenigen Ländern stehen so viele und so große wie in Schottland.
Bis heute sind Steinkreise Archäologen allerdings ein Rätsel. Viele vermuten, dass die Megalithanlagen auf der Grundlage von Astronomie erstellt wurden. Anhand des Steinkreises sollen die Menschen damals also verschiedene Mond- und Sonnenereignisse, wie Sonnenwenden und saisonale Variationen, vorausgesagt haben können – Equinox (Tagundnachtgleiche) muss demnach eine zentrale Rolle bei der Erstellung der Steinkreise gespielt haben.
Viele Steinkreise wurden zudem um eine Grabstätte gebildet, welche meist für die Stammesoberhäupter bestimmt war. Einige Steinkreise wurden erweitert und bildeten ein keltisches Kreuz, wie es auf vielen Friedhöfen in Schottland zu sehen ist. Die Steinkreise waren also ein heiliger Ort, an dem gebetet und gepredigt wurde. Auch die geographische Lage spielte bei der Formation der Steinkreise eine wichtige Rolle. Oft waren die Steinkreise geographisch mit weiteren Steinkreisen in der Umgebung verbunden.
Darüber hinaus gibt es allein stehende Steine - ‚Standing Stones‘-, die verschiedene piktische Symbole aufweisen. Die Pikten kommunizierten nämlich anhand von Bildern und Symbolen – einer der Gründe, weshalb die Römer das Volk ‚Pikten‘ = ‚Maler‘ (von lat. Pictor) nannten. Es gibt viele verschiedene Symbole, oftmals Tiere wie Fische und Vögel. Diese repräsentierten vermutlich das Wappen des jeweiligen Stamms, wie es später auch von den Clans weitergeführt wurde. Das Zeichen des Wildschweins war das Wappen des ‚High Kings of Alba‘ – damals der König von Schottland, welches zu diesem Zeitpunkt den Namen Alba trug. Auch als Könige der Familie ‚Scot‘ übernahmen das Zeichen des Wildschweins als Zeichen des höchsten Königs von Alba bis William the Lyon das Wappen zu einem Löwen ändern ließ. Der Löwe ist bis heute auf der Flagge Schottlands zu sehen.
Die Steinkreise und ihre Symbole verloren ihre Bedeutung mit der Ankunft des Christentums durch Columba im 6. Jahrhundert. Allerdings wurden zu Beginn viele Elemente des piktischen Glaubens in die des frühen Christentums integriert. Unter anderem wurden die Steinkreise als Anbetungsorte akzeptiert und viele Kirchen wurden in die Mitte der piktischen Steinkreise gebaut. Auch heute kann man um viele Kirchen noch die ursprünglichen Steinkreise der Pikten beobachten. Viele vermuten außerdem, dass das Wort ‚Kirk‘ – wie die schottischen Kirchen genannt werden – von dem Wort für ‚Kreis‘ stammt und auf die Steinkreise zurückzuführen ist.
Der größte, noch vollständige Steinkreis der britischen Inseln ist der Callanish Steinkreis, auch Callanish Standing Stones genannt. Dieser faszinierende Steinkreis befindet sich auf der schottischen Insel Lewis & Harris, die größte der äußeren Hebrideninseln. In seiner Mitte ist noch heute die Grabstätte zu sehen, um die der Steinkreis gebildet wurde. Genau hinter der Grabstätte befindet sich der größte Stein des Steinkreises. Dieser ist ganze 5,5m hoch! Der Callanish Steinkreis ist außerdem ein sehr gutes Beispiel für eine Formation eines keltischen Kreuzes.
Auch auf den Inseln Orkney, Shetland sowie in Drumfries, Galloway und Argyll findet man sehr viele bemerkenswerte Steinkreise. Auf den Orkney-Inseln befinden sich sowohl einer der schönsten Steinkreise der Welt - Ring of Brodgar-, sowie einer der berühmtesten der Welt - Stones of Stenness. An der Westküste von Arran stehen die Machrie Moor Standing Stones und im Kilmartin Glen ist wohl der beeindruckendste Steinkreis der Region von Argyll.
Diese sind allerdings nur die bekanntesten der vielen Steinkreise in Schottland. Selbst in Gegenden, wo man es nicht ahnen würde, kann man auf Steinkreise unterschiedlichster Art stoβen: manche sind noch sehr gut erhalten, an anderen Orten findet man bloβ noch einen ‚Survivor‘; einen letzten Stein. Beispiele für unbekanntere Steinkreise sind Lundin Links Stones in Fife, mitten auf einem Golfplatz; sowie ein Steinkreis in Aviemore, der in einer Häusersiedlung, neben der Feuerwehrwache steht, als wäre es das Normalste auf der Welt. Ebenso einzigartig ist der Caiy Stane, der in Edinburgh zu finden ist; ganz unscheinbar, und doch so unglaublich majestätisch.
Durch die weltweit bekannte Serie ‘Outlander’, basierend auf der Buchreihe ‘Highland Saga’, bekamen Steinkreise eine völlige neue Bedeutung. Nun sind die Steinkreise auch als Medium bekannt, um in eine vergangene Zeit zu reisen. Die Protagonistin der Outlander-Serie, Claire Fraser, eine Krankenschwester aus dem 20. Jahrhundert, fällt zu Beginn der Serie durch einen Steinkreis namens ‘Craigh na Dun’ und reist 200 Jahre in die Vergangenheit zurück. Der Name des Steinkreises bedeutet so viel wie ‘Steinfelsen einer Burg’, allerdings existiert leider kein Steinkreis namens Craigh na Dun; er entstammt der Fantasie der Autorin Diana Gabaldon.
In Diana Gabaldons ‚Highland Saga‘ schreibt sie, dass sich der Craigh na Dun Steinkreis auf einem grünen Hügel in den schottischen Highlands mit Blick auf Inverness befindet. Obwohl keiner der Steinkreise in der Umgebung von Inverness den Namen Craigh na Dun trägt, gibt es dennoch ein paar Möglichkeiten, die Diana Gabaldons Fantasie inspiriert haben könnten:
Unweit von Inverness befindet sich ein Hügel namens Craig Dunain. Wenn man einen kleinen Fußmarsch durch die schöne Landschaft nahe der Dunain Woods auf sich nimmt, gelangt man zu einem Steinkreis, von dem man eine wunderbare Aussicht auf Inverness hat. Dieser Steinkreis ist allerdings nicht mehr vollständig und nur einige wenige Steine sind heute noch zu sehen. Die besterhaltensten Steinkreisgräber in der Nähe von Inverness sind die Clava Cairns, allerdings fehlt hier die Aussicht auf Inverness. Dennoch herrscht dort eine magische Atmosphäre: im 19. Jahrhundert wurde dieser Ort als Druidentempel interpretiert. Vielleicht hielten hier sogar die Druiden ihre Tänze ab, wie wir es aus der Outlander-Serie kennen? Der Landbesitzer hielt diesen Ort jedenfalls als etwas ganz Besonderes und pflanzte daraufhin Buchen nach viktorianischem Romanismus um die Steinkreise. Diese Buchen umgeben heute noch die Clava Cairns und verleihen den drei Steinkreisen eine ganz besondere Magie. Das Anfassen der Steine ist natürlich auf eigene Gefahr – wer gerne in die Vergangenheit reisen möchte, kann es gerne mal versuchen.
Jeder Steinkreis erzählt seine ganz eigene Geschichte. Und wenn man überlegt, wie lange die Steine bereits an den verschiedenen Orten stehen, ist es faszinierend sich vorzustellen, was diese bereits alles gesehen und miterlebt haben. Auf unseren Schottlandreisen bringen wir Ihnen die Besonderheiten von Steinkreisen noch näher.
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